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Schultheorie

Dr. Beat Bertschy, Pädagogische Hochschule Freiburg

Copyright unbekanntPère Girard entwickelt als Vordenker und Gestalter der Schweizerischen Volksschule im Grunde genommen eine Theorie der Schule „avant la lettre“, verstanden als methodisch reflektierte Anstrengung, die spezifische Bedeutung von Schule zu klären (Diederich/Tenorth1997). Seine Theorie der Schule enthält Angaben über

  • die aufeinanderfolgende Stufung und Gliederung der Schule,
  • die nebeneinander stehenden Schulformen, incl. Fächerkanon,
  • die anthropologischen, sozialisationstheoretischen Grundlagen der Schule und
  • den Zweck bzw. die Funktion(en) der Schule.

Nähere Ausführungen dazu finden sich in Bertschy (in Vorb.).

Girards Text, sein Projekt für die öffentliche Bildung in der helvetischen Republik (1798), umfasst folgende Unterkapitel:

  1. Sinn und Zweck der Schule (den Geist erwecken, das Herz zum Guten hin führen, dem Staat einen sozial-verantwortlichen Bürger übergeben),
  2. Fächerkanon (Sinn und Zweck der einzelnen Fächer, relevante Bildungsinhalte), es geht darum, eine gute Auswahl zu treffen („un bon choix“, S. 15),
  3. Methoden bzw. zu beachtende methodische Prinzipien für den Unterricht, etwa das zu Lernende mit der Alltagserfahrung zu verbinden (S. 27),
  4. Schultypen: Girard unterscheidet zwischen Primarschulen in der Stadt und solche auf dem Land, Sekundarschulen, Gymnasien, Akademien, und Berufsschulen.

Auch in seinem Vortrag: Über Schulen und Schullehrer-Bildung im Alpenlande der Schweiz (1827) kommt Girard auf seine Schulkonzeption zurück. Er widmet sich dem Problem, wie gerade in den abgelegenen Gegenden das Recht auf Bildung realisiert werden kann. Den Text gestaltet er als Dialog zwischen einem Schulmann und einem Freund, der ihm nicht immer beistimmt und wichtige Fragen aufwirft.

Die besprochenen Probleme sind gewaltig: In den abgelegenen Tälern gibt es kaum Schulen, kein Schulgesetz und keine Standards: „Jede Dorfgemeinde thut meistens hierin, was ihr gefällt“ (ebd., 1827, S. 289).

Girards Lösung lautet: man muss von den Ressourcen ausgehen, die vorliegen, also vom Bestehenden. Er plädiert also für eine Reform von unten: die kleinen Schulen, die es bereits gibt, müssen zu Muster-Schulen werden, die eine Vorbildwirkung erzielen und zum Modell werden, das kopiert wird. Darin soll zugleich die Lehrerausbildung stattfinden: „In die Musterschulen führe ich dann die künftigen Lehrer ein, um sie in denselben, durch dieselben und neben denselben zu bilden. Du siehst hieraus, dass meine Schullehrer-Anstalt ganz mit der Schule selbst verwachsen ist.“ (ebd., S. 292).

Der Fächerkanon der Muster-Schulen, die „ganz auf das ländliche Leben berechnet seyn“ (ebd., S. 294) sollen, umfasst:

  • sprachliche Bildung (sprechen, lesen, memorisieren, schreiben),
  • verständiges und moralisches Rechnen (ebd., S. 297-299),
  • Gesang – „Durch ihn wünsche ich mir eine frohe Schule zu bilden, ein frohes Geschlecht zu erziehen“ (ebd., S. 299),

Auf den Einwand seines Freundes, ob der Fächerkanon nicht zu eng gefasst sei, antwortet der Schulmann Girard: „In den wenigen Fächern ist mehr, als Du meinst.“ (ebd. S. 294) - „In meiner so oft unbesuchten Schule, muss ich mich auf das Dringende beschränken, und das Dringende habe ich offenbar angegeben.“ (ebd., S. 296)

Beat Bertschy

 

Bertschy, B. (in Vorb.). Unbekannt, unverstanden, unterschätzt – Gregor Girards facettenreiche Schulpädagogik (ca. 15 Seiten).

Diederich, J.; Tenorth, H.-E. (1997). Theorie der Schule: Ein Studienbuch zu Geschichte, Funktionen und Gestaltung. Berlin: Cornelson Scriptor

Girard, G. (1798): Projet d’éducation publique pour la République helvétique. In: Girard (1950). Projets d’éducation publique. Editions du centenaire, publié par la societé Fribourgeoise d’Education, Vol. IV, Freiburg: Paulus-Verlag, S. 9-38.

Girard, G. (1827): Vorschlag über Schulen und Schullehrer-Bildung im Alpenlande der Schweiz. Neue Verhandlungen der schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft. Zürich, 16. Bericht. Zürich: Orell Füssli, S. 287-331.

 

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